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Im Wandel der Laichzeit

Projektart

Baggersee

Datum

Mai/Juni 2025

Die Wochen rund um die Laichzeit sind für viele Karpfenangler so ziemlich das Nervigste im ganzen Jahr. Übergang von Mai zu Juni, Wassertemperatur um die 18 Grad, das Kraut steht gut. Eigentlich sieht alles nach Traumkulisse aus. Aber die Fische haben den Kopf ganz woanders. Statt Fressrausch ist Laichgeschäft angesagt, und genau das macht die Angelei in dieser Phase so unberechenbar.

Für mein Laichzeit-Projekt hatte ich mir vier Tage und drei Nächte an einem komplett unbekannten Gewässer vorgenommen. Keine alten Infos, keine Erfahrungen, nichts.
Also blieb nur eins: pirschen, lesen, beobachten. Mit Deeper und Drohne habe ich mir zuerst ein Bild gemacht, wo Kraut wächst, wo Kanten sind, wo flachere Bereiche in Frage kommen, die als Laichgebiete dienen könnten und wo härterer Boden zu finden ist.
Am Ende kristallisierte sich eine mögliche Zugroute heraus. Genau die Bereiche, in denen die Fische zwischen Laichplatz und offenerem Wasser hin und herziehen könnten.

Einen Abend vor der eigentlichen Session war ich schon mal am See, einfach um ein besseres Bauchgefühl zu bekommen. Ein bisschen glotzen, ein bisschen horchen, ein bisschen Wasser lesen. Nach der Platzauswahl habe ich nur einige Hände Futter auf den Spot gebracht. Kein großes Futterfeuerwerk, eher ein erstes „Hallo“, um Vertrauen aufzubauen. Die Stelle lag nur etwa 30 Meter vom Ufer entfernt, schön in Wurfweite, direkt in der Nähe einer vermuteten Zugroute zwischen Laichgebiet und tieferem Wasser. Genau da, wo die Fische auf dem Weg von A nach B immer mal wieder kurz stehen bleiben und einen Happen mitnehmen. So zumindest in meiner Vorstellung.

Beim Tackle kam meine Tactical Twin Serie mit 2,75 lbs zum Einsatz. Für mich ein guter Kompromiss. Genug Reserven für Krautkontakt, aber immer noch schön puffernd im Drill. Ich habe zwei verschiedene Präsentationen gefischt. Eine Rute mit einem 17mm Bodenköder. Die andere wurde mit einem Snowman versehen. Beide Ruten wurden um 8m zueinander versetzt angeordnet. Unser Red-Kriller musste in abgewandelter Form wieder an die Front. Die Boilies waren so abgestimmt, dass sie schnell arbeiten, aber nicht sofort komplett wegbrechen. Im Vergleich zum zeitigen Frühjahr hatten sie etwas mehr Bindung, damit sie nicht nach kurzer Zeit vom Haar fallen. Rund zehn Stunden sollten sie schon durchhalten, ohne sich in Matsch aufzulösen.

In dieser Phase sind Proteine Trumpf. Die Damen und Herren unter Wasser brauchen Energie für das anstehende Laichspektakel. Kohlenhydrate schön und gut, aber jetzt zählt Substanz. Hochwertige, proteinreiche Köder unterstützen genau diesen Bedarf und passen perfekt zur Situation, in der die Fische zwar nicht in Dauerfresslaune sind, aber zwischendurch gezielt Energie nachtanken.

Die Wetterlage hat ihren Teil zur Herausforderung beigetragen. Immer wieder Regen, und genau diese Regenfenster haben dafür gesorgt, dass sich die Fische tagsüber eher entlang der Zugrouten aufgehalten haben als dauerhaft in den flachen Laichgebieten. Vermutlich wurde das Oberflächenwasser in den Flachzonen immer wieder etwas heruntergekühlt, was die Fische aus den eigentlichen Laichbereichen rausgezogen und sie mehr in die Übergangsbereiche gedrückt hat. Genau diese Zwischenstrecken waren mein Ziel.

Der Start in die Session war entsprechend wenig glamourös. Das Nötigste zusammengepackt und im Regen mühsam an den Platz gekarrt. Aber manchmal wird man direkt belohnt: Am Spot angekommen, rollte tatsächlich ein Karpfen genau auf dem Futter, das ich am Vortag eingebracht hatte. Besseres Feedback kann man kaum bekommen. Noch bevor das Camp überhaupt stand, wanderte frisches Futter auf den Platz und die Ruten wurden sauber abgelegt. Das Bauchgefühl wurde immer besser.

Es hat nicht einmal zwei Stunden gedauert, da schrie der Freilauf los. Schon beim ersten Kontakt war klar: Da hängt kein kleiner Mitläufer. Der Fisch hing satt am Haken, machte aber keine wilden Fluchten, sondern kam mit einem ordentlichen, dumpfen Druck. Als dann noch harte Kopfstöße dazukamen, war für mich klar: Das ist was wirklich Ordentliches.

Zwischen mir und dem Fisch lag allerdings eine fette Krautbank. Genau aus diesem Grund hatte ich den Safety Clip schon im Vorfeld sehr spitz aufgeschoben, damit das Blei beim kleinsten Widerstand sofort abfällt. Ohne Blei lässt sich ein Fisch deutlich besser durch Kraut manövrieren. Mit ordentlich Druck habe ich ihn dann durch die Krautbank gezogen. Klar, dabei hat man immer ein mulmiges Gefühl. Aber die Logik sprach für sich. Der See ist von hartem Kiesgrund geprägt, und in solchen Gewässern sind die Mäuler meist stabil genug, um auch mal mehr Druck abzukönnen.

Hüfttief stand ich im Wasser, den Kescher bereit, und zog den Fisch geradlinig auf mich zu. Kurz nach der Krautkante kam er das erste Mal hoch und in genau diesem Moment habe ich sofort bereut, so viel Druck gegeben zu haben. Hätte ich vorher gewusst, was für ein toller Charakterfisch da am Haken hängt, hätte ich wahrscheinlich etwas vorsichtiger agiert. Aber mal ehrlich! Hätte ich ihn dann überhaupt sicher bekommen? Ihr kennt diese Momente im Drill, in denen einem alle möglichen Szenarien durch den Kopf schießen und man jede Entscheidung in Echtzeit hinterfragt.

Am Ende hat alles gepasst. Der Fisch glitt sauber über den Kescherrand, der Druck fiel schlagartig ab. Ein absolut markanter Fisch, der vermutlich als Einzelgänger unterwegs war und genau dieses kurze Fressfenster auf der Zugroute genutzt hat. Gute Vorbereitung, passende Köderwahl, die richtige Futtertaktik, die Montagen auf die Situation abgestimmt und ein bisschen Glück. Mehr braucht es manchmal nicht, um in einer schwierigen Phase an einen richtig starken Fisch zu kommen.

Natürlich waren die Erwartungen nach diesem Start entsprechend hoch. Fisch versorgt, Fotos im Kopf schon geplant, und im Hinterkopf der Traum vom dauerhaft nassen Kescher für den Rest der Session. Die Realität sah dann aber ganz anders aus!
Vier Tage am Wasser, Regen ohne Ende, der Kescher wurde oft nass, aber nur von oben. Am Ende stand da ein einziger Fisch zu Buche und den hätte man streng genommen auch mit einer kurzen, knackigen Abend oder Morgensession fangen können.

Genau das zeigt, wie unberechenbar das Angeln rund um die Laichzeit ist. Für mich sind die Wochen ab Ende Mai ganz klar die schwierigsten im Jahr. Die Fische ziehen hin und her, die Parameter sind selten konstant, die Fressfenster sind extrem kurz und schwer zu treffen. Aber genau das macht es auch aus. Ich bedauere die Schneidertage kein bisschen. Im Gegenteil! Es sind genau diese Sessions, an denen man wächst. Man lernt, Gewässer zu lesen, Zugrouten zu erkennen, Wetterfenster einzuordnen und ein immer besseres Verständnis für diese komplizierte Übergangsphase zu bekommen.

Unterm Strich bleiben ein neuer See, eine funktionierende Zugroute, ein charakterstarker Fisch und eine Menge Erfahrung für kommende Laichzeiten. Und manchmal ist genau das mehr wert als eine prall gefüllte Fangliste.

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